Ganz gleich, wo man gerade hinschaut, der Begriff Ethik ist in aller Munde. Manch ein Politiker verwendet ihn in seinen Reden, lässt ihn aber nicht für sein Privatleben gelten. Einige Institute bieten ein Ethik-Siegel an und glauben, man könnte sich Ethik erkaufen. Und manch Unternehmen schreibt Ethik in seine Unternehmensphilosophie, ohne Ethik authentisch zu leben.
Wenn wir als Erwachsene ethisch handeln wollen, müssen wir uns erinnern, wie es war ganz Kind zu sein.
Die Zeit ist reif für einen Wechsel von der Image-Ethik zur authentischen Ethik. Es geht um eine klare Positionierung ethischer Grundsätze. Große Kulturen hatten als Grundlage menschlichen Lebens stets hohe ethische Werte. Das Einvernehmen der Menschen in ihrem Kulturkreis und ihren Gesellschaftsformen über die höchsten Werte menschlichen Lebens war stets die Schnittstelle, woran sich die gesellschaftliche Entwicklung und Bewusstheit ablesen ließ. Das trifft für die heutige Gesellschaft ebenso zu.
„Ethos“ heißt in seiner ursprünglichen Bedeutung „Charakter“ und das in einem umfassenden Sinn. Gesinnung, Sittlichkeit, Charakter sind von griechischen Philosophen in der Antike als Begriffe und Merkmale ethischer Werte ausgebildet worden. Ethik kann als eine formulierte Selbstaussage einer Gesellschaft über ihre ausgebildeten und höchsten Werte verstanden werden.
„Ethik ist für mich der höchste menschliche Wert. Handele stets so, dass Du personales Leben mehrst, nicht minderst, dann handelst Du ethisch und somit sozialverträglich.“ (Rupert Lay, Theologe und Unternehmensberater)
Das bedeutet also menschlichem Leben Raum zu schaffen, um im persönlichen, familiären und beruflichen Feld personales Wachstum möglich zu machen. Für die Führungskraft bedeutet das, ethisches Handeln wird zu einem fest verankerten Wert erhoben, der das Fundament ihrer Arbeit ist. Die augenblicklich herrschenden Bedingungen in der Wirtschaft, wie die Bedeutung von Öffentlichkeit, Anonymität und Korruption lassen den ökonomischen Erfolg ohne echte Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Es bedarf ethisch orientierter Instrumente in der Unternehmensführung. Das hat Auswirkungen für alle Beteiligten in den Unternehmen. Zur gleichen Zeit zeichnet sich in unserer Gesellschaft ein Paradigmenwechsel ab.
„Es wird zu einem gesellschaftlichen Wertewandel kommen. Im Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion steht dann mehr soziales Wohlbefinden als materielle Wohlstandssteigerung. Verlorengegangene Werte wie Gemeinschaftssinn, Kollegialität, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft werden eine Renaissance erleben. Ein erfolgreicher Wandel von der Ellenbogengesellschaft zur Verantwortungsgesellschaft zeichnet sich ab.“ (Horst Opaschowski, Zukunftsforscher aus Hamburg)
Das bedeutet für die Führungskräfte, in einem Spannungsfeld zu arbeiten, in dem sich gesellschaftliche Strukturen in hohem Maße verändern und die Basis für die Erneuerung und Definition ethischer Werte unserer Gesellschaft von jedem Einzelnen von uns miterschaffen wird. Unter neuen Gesichtspunkten das Verständnis von Leadership-Qualitäten zu definieren und die rasche Entwicklung innerhalb der Globalisierungsprozesse mit seinen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen mit einzubeziehen, das ist eine Herausforderung, die von allen Beteiligten menschliche Größe fordert.
Image-Ethik spricht formelhaft von den Werten des Lebens, ohne sie wirklich zu achten. In allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens gibt es ausreichende Beispiele hierfür. Führungskräfte arbeiten ständig in Bereichen, in denen sie auf Schnittstellen von Image-Ethik oder Authentischer Ethik treffen. Umso wesentlicher sind charakterliche Eigenschaften wie Integrität, Mut, Klarheit, Gerechtigkeit, Einfachheit, Geduld, Demut, Treue zu sich selbst, als Maxime unserer ethischen Verantwortung. Das erfordert Authentizität und klare Positionierung, die durch die Schulung des eigenen Charakters erreicht wird.
Waren es vormals Techniken für operationales Handeln und Managerqualitäten, die zur Führung von Unternehmen als Kernkompetenzen galten, so sind heute ethische Kernwerte ebenso ausschlaggebend für den zukünftigen und nachhaltigen Erfolg von Führungskräften. Es gilt, sich selbst zu einer positiven Lebenseinstellung zu motivieren, die in konkrete Schritte, in ein vom Wesens-Kern bestimmtes Leben führen. Die Echtheit des eigenen Handels, Empathie und Authentizität sind weitere Kernkompetenzen.
Bewusstwerdung schafft die Voraussetzung für die Erneuerung menschlicher ethischer Werte. Auf Kurs zu sein, heißt unsere tief empfundenen Werte zu achten und sie zu leben. Vor diesem Hintergrund wird es zunehmend wichtiger, den eigenen persönlichen Werdeprozess zu fördern. Das schließt insbesondere die Seiten der Persönlichkeit mit ein, die ein „Schattendasein“ führen.
Führungskräfte erreichen das durch eine ständig weitere Reifung ihrer Persönlichkeit. Aus diesem Raum der Erneuerung fließen ihnen Ressourcen ihres schöpferischen Potenzials zu. Führungskräfte arbeiten mit ihren Mitarbeitern an den sich ständig wandelnden Strukturen menschlichen und gesellschaftlichen Lebens. Hier steht die Schulung ihres eigenen Charakters im Mittelpunkt. Das ist die Tür zur authentischen Ethik. Das daraus resultierende Handeln fördert und mehrt personales Wachstum.
Ein weiterer Baustein, ethisch zu handeln, liegt in der vollkommenen Anerkennung dessen, was ist. Der Mut, unbewältigte Prozesse im eigenen Innern in lebendiges Sein überzuführen, wächst. Die Güte für das eigene Unvermögen schafft Raum, in der das eigene Menschsein erblühen kann. Das gilt zunächst für die Führungskräfte. So entsteht echte Größe, die trägt und Mitarbeitern vermittelbar wird. Die Führungskräfte können ihren Mitarbeitern nur das vermitteln, was sie selbst in Erfahrung gebracht haben. Ihr Gegenüber hat ein gutes Gespür für ihre Echtheit und wird dieses rückmelden. Im eigenen Inneren gegründet zu sein, sorgt für ein ethisches Selbst-Verständnis.
Jeder Schritt, der in lebendiges Sein führt, fördert die Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen. Das Leben besteht aus echtem Geben und Nehmen. Das gilt ebenso für die aufgeführten Bereiche wie auch für die persönliche Entwicklung des Einzelnen, hin zu seinem vollen Potenzial. Die ethische Haltung im Führen vermittelt sich über Echtheit und Handlung, nicht über das, was die Führungskräfte sagen, sondern, wie sie ihre Inhalte aus ihrer Kern-Kompetenz vermitteln und danach handeln. Kern ist hier als der Wesenskern eines Menschen zu verstehen.
Ethisches Handeln lebt von ständiger Erneuerung. Alle vier Quadranten menschlichen Seins sind davon betroffen, sein Körper, sein Geist, seine Seele und seine sozialen Kontakte. Es geht um die Wichtigkeit der Ausgewogenheit dieser vier Säulen menschlichen Seins. Er lässt sich vom Leben ergreifen und ganz darauf ein. Den Gesetzmäßigkeiten des Lebens zu vertrauen, heißt mit den Prinzipien des Lebendigen zu bauen.
Führungskräfte können diese Prinzipien in ihre Tätigkeitsfelder als ethisch orientierte Instrumente tragen. Das neue Paradigma zielt darauf hinaus, ein bewusstes Wertemanagement zu kreieren. Es geht um eine ethische Neuorientierung, welche die Image-Ethik bewusst hinter sich lässt und sich der authentischen Ethik verschreibt.