DAS WÄHRUNGSSYSTEM UND DAS UNTERBEWUSSTSEIN
Die Hintergründe zur Entstehung des Geldes sind fast in Vergessenheit geraten; nur ein paar Artefakte haben die Jahrtausende überdauert. Schon im steinzeitlichen Europa, das noch matriarchalisch organisiert war (Frauen nehmen als Ahnfrau oder Ur-Göttin eine zentrale Rolle in Gesellschaft und Religion ein), taucht Geld auf. Bernstein, damals wertvoller als Gold, war als Zahlungsmittel im Fernhandel etabliert. Das fossile Harz galt als „Tränen der großen Mutter“, das aus dem Ur-Ozean (dem Schoß allen Lebens) hervorgegangen ist. Schon hier findet sich der Hinweis auf den Archetyp der Großen Mutter (nach C. G. Jung), der als Teil des kollektiven Unbewussten für Fülle, Reichtum, Fruchtbarkeit und Leben steht. Sein (heute) verdrängter Schatten dagegen verkörpert Knappheit und Gier, die durch die Angst miteinander verbunden sind und in der jeweiligen Kultur zerstörerisch wirken.
Der historische Ursprung des Geldes
Die ersten geprägten Münzen wurden im Reich der Lyder zwischen 650 und 600 v. Chr. als Zahlungsmittel herausgegeben. Der Lyder-König Krösus war für seinen Wohlstand und seine Freigiebigkeit bekannt. Heute steht sein Name in der deutschen Umgangssprache nur noch für einen reichen, im Luxus lebendenden Menschen, die Freigiebigkeit kommt in dieser Wahrnehmung nicht mehr vor.
Einige hundert Jahre später prägten die Römer ihre Münzen im Tempel der Göttin Juno, die den Beinamen Moneta trug. Daraus leiten sich das lateinische Moneta, das englische Money und das deutsche Moneten ab.
Die frühen Gesellschaften, die den Archetyp der Großen Mutter würdigten, entwickelten Geldsysteme, die den Wohlstand der Gesellschaft sicherten. Diese Geldsysteme basierten auf zwei Säulen: Eine knappe Währung aus Edelmetall für den Fernhandel und ein lokales Zahlungsmittel für die regionalen Geschäfte, wie z. B. das Getreide im alten Ägypten. Da Naturprodukte als Zahlungsmittel schlecht zu transportieren waren, wurden sie deponiert und die Menge auf Tontafeln symbolisiert. Und da Naturprodukte vergänglich sind und Lagerkosten verursachen, wurde eine Demurrage (Schwundgebühr) festgelegt, die anders als der Zins dafür sorgte, dass das Zahlungsmittel eher an Wert verlor und daher nicht gehortet werden konnte.
Yin und Yang Währungen nach Bernard Lietaer
Eine Demurrage-Währung macht es sinnlos, Geld zu horten. Vielmehr wird es wirtschaftlich, solches Geld in dauerhafte Produkte des täglichen Lebens, in Infrastruktur, in Bauten, Bildung oder Kunst zu investieren.
Der belgische Finanzexperte Bernard Lietaer, der für seine Propagierung von Komplementärwährungen bekannt ist, nennt diese Währung „Yin Währung“ (das Weibliche). Dagegen ist unsere heutige Zentralbankwährung, die mit Zinsen funktioniert, eine „Yang Währung“ (das Männliche). Wohlstand und langfristiger Reichtum für die Gesellschaft lassen sich, so Lietaer, nur erreichen, wenn Yin und Yang Währung als Teile eines Ganzen sich ergänzen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass alle Hochreligionen Zins und Wucher verboten oder begrenzt haben und auch dem Reichtum Einzelner kritisch gegenüberstanden. Im ursprünglichen christlichen Glauben soll Jesus Christus gepredigt haben: „Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“. Auch der Buddhismus beschreibt Reichtum als „Klotz am Bein“. Im Islam hat Mohammed, der selbst Kaufmann war, den Reichtum nicht verteufelt, aber Sorge für die Armen zur Pflicht erhoben.
Die beiden Reformatoren Martin Luther (1483 bis 1546) und Johannes Calvin (1509 bis 1564) führten dann den Gedanken ein, der Reiche sei durch Gott erwählt, falle aber in Sünde, wenn er „sich auf seinem Vermögen ausruht und es zur Befriedigung seiner lasterhaften Begierden missbraucht.“ (Johannes Calvin)
Erst der Begründer der klassischen Nationalökonomie Adam Smith (1723 bis 1790) postulierte dann den Homo Oeconomicus, den rein rational handelnden Menschen, dessen natürliche Eigenschaften Gier und Habenwollen der einzige Motor wirtschaftlichen Handelns sind.
Die Unterdrückung des Weiblichen
Der belgische Finanzexperte Bernard Lietaer weist noch auf eine zweite Entwicklung hin. Bereits ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. hat sich in einem über 2.500 Jahre dauernden Prozess eine patriarchal (von Männern dominierte) Gesellschaft durchgesetzt. Sie ging einher mit der privaten Unterwerfung der Frau und der beherrschenden Stellung des Mannes als Familienoberhaupt. Gänzlich verteufelt wird das Weibliche in der biblischen Geschichte von Adam und Eva. Die Schlange, ein altes Symbol für die Große Mutter, wird zur Verursacherin des Sündenfalls.
Mit der Reformation verschwinden mit der Marienverehrung auch noch die letzten Überreste an Weiblichem und die Stellung Gottes als absoluter männlicher Monarch wird zementiert. Der Archetyp der Großen Mutter ist verdrängt, die Archetypen Herrscher, Krieger und Magier bestimmen als Kreuzritter, Samurai oder Superman bis heute unser Denken.
5000 Jahre patriarchalischer Herrschaft haben ein Denken geformt, das den Geist vom Körper und den Verstand von der Natur trennt, und so verlor der Mensch mit der Zeit das Gespür für seinen Körper, seine Gefühle – und somit für das Weibliche in ihm selbst und in der Natur.
Die Leugnung von Gefühl und Intuition führt zum Werteverlust
Erst im heutigen „Pumpkapitalismus“ dominieren Zins und Zinseszins, Wetten und Spekulationen das Marktgeschehen. Die Folgen sind bekannt: Eine immer kleinere Gruppe verfügt über einen immer größeren Reichtum und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst stetig. Die Anhäufung persönlichen Reichtums um jeden Preis führt zur gesamtgesellschaftlichen Abkehr von Werten, Ethik und Moral. „Wohin man blickt auf den Chefetagen der deutschen Wirtschaft“, schreibt „Die Zeit“ schon Anfang Mai 2013 unter der Überschrift „Macht Geld unmoralisch“, „Der Staatsanwalt war schon da.“ Korruption, Steuerhinterziehung, Anlagebetrug, Untreue – die Bilanz eines Werteverlusts. Das Thema Geld ist nicht mehr positiv durch das Streben nach Fülle, Reichtum, Überfluss und Großzügigkeit (Archetyp der Großen Mutter) geprägt, sondern wird von der Angst (dem Schatten) getrieben, es zu verlieren, die Raten für das Auto, den Urlaub oder den Lebensstandard nicht mehr bezahlen zu können. Ein Archetyp, der nicht geachtet, sondern ausgegrenzt und verdrängt wird, verschwindet von der Oberfläche, d.h. aus dem Wachbewusstsein und dem öffentlichen Raum. Er wird zum Schatten. Die Schatten eines Archetyps sind dessen entgegengesetzte Gefühle. (Elisabeth Gründler)
Durch Bewusstmachung zu einem neuen Geldsystem
Geld ist nicht wertneutral, es ist eine Vereinbarung, etwas als Zahlungsmittel anzuerkennen – so die These von Bernard Lietaer. Der anerkannte Finanzexperte fordert nicht, die von Zentralbanken gesteuerten Yang-Währungen (das Männliche) abzuschaffen, sondern nur deren Geldmonopol. Neben die Zentralbankwährungen sollen komplementäre Yin-Währungen (das Weibliche) treten, die als reines Tausch- und Zahlungsmittel ungehindert auf allen Gesellschaftsebenen zirkulieren, für alle verfügbar sind und zu langfristigen Investitionen führen. Von diesen Yin Währungen gibt es heute bereits weltweit 2.500 (Regiogeld in Deutschland, Schwundgeld in Österreich oder der Swap in der Schweiz). Darüber hinaus fordert Lietaer eine neue weltweite Yin-Währung mit dem Namen „Terra“. Sie soll nicht wie im antiken Ägypten an ein Produkt gebunden sein, sondern an einen Warenkorb von gängigen Rohstoffen und Hauptprodukten. Die Terra-Währung wäre mit einer sogenannten Demurrage belastet und inflationssicher. Sie würde den internationalen Handel auf eine stabile und gerechte Grundlage stellen. Terra könnte elektronisch zirkulieren wie bereits heute 98 Prozent allen Geldes. An die Stelle des globalen Ungleichgewichts zwischen Arm und Reich könnte ein Gleichgewicht treten. (Elisabeth Gründler „Geldsystem der Zukunft“)
Der griechische Gelehrte Aristoteles gab uns schon vor 2.500 Jahren einen Tipp zum Thema Gleichgewicht: „In allen Staaten gibt es drei Teile, die sehr Reichen, die sehr Armen und die Mittleren. Wenn nun das Maß und die Mitte anerkanntermaßen das Beste sind, so ist auch in Bezug auf die Glücksgüter der mittlere Besitz von allen der bessere. Denn sie (die Mittleren) begehren nicht nach fremdem Besitz, wie die Armen, noch begehren andere nach dem ihrigen, wie es die Reichen den Armen gegenüber tun.“